Die Gegenwart der Vergangenheit
Es ist seltsam, wie gegenwärtige Ereignisse manchmal die Vergangenheit wachrufen, die uns einen Weg in die Zukunft zu zeigen vermögen.
Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, im Auge eines Taifuns zu stehen. Alles um mich herum ist in Bewegung. Nur ich schaue zu, ruhig, abwartend, versuche, meinen Weg zu sehen. Doch offenbarte er sich mir nicht. Nach meiner letzten Beziehung wusste ich sehr genau, was ich nicht mehr wollte. Doch was ich will blieb mir verborgen. Bis heute.
Es fing wohl damit an, das Daniela auf ihrem Kranklager auf die Idee kam, Musik von Mike Oldfield sei ihrer Genesung durchaus zuträglich und ließ uns daran teilhaben. Es war, als würde in mir ein Schalter umgelegt. Difuse Gefühle, noch unerklärlich. Etwas in mir wollte wieder erwachen, raus an die Oberfläche, gesehen, wahrgenommen werden. Nur greifen konnte ich es nicht. Freitag schrieb ich dann dieses, anscheinend einfach aus dem Bauch raus. Wirklich nur ein Traum?
Sonntag, ich höre Mike Oldfield, wie auch schon die ganze vergangene Woche. Ich suche meine kleine Erinnerungskiste, eine alte Zigarrenschachtel. Keine Ahnung, warum. Eingestaubt finde ich sie unten, ganz hinten im Regal. Viel ist nicht drin, neige ich doch nicht zum Sammeln. Ein Bild meiner geliebten Großmutter, eines meines verstorbenen leiblichen Vaters. Darunter fällt mir ein kleiner Stein mit 2 aufgeklebten Marienkäfern ins Auge, "Viel Glück" steht darauf. Ein 23 Jahre alte Geburtstagskarte, unterschrieben mit "dein Eisbär" und 2 Namensschildchen.
Ich starre den einen Namen an, schließe die Augen. Sein Zimmer, klein. An der Stirnseite das Fenster, daneben der Schreibtisch mit Blick auf die Wand. Ein kleines Regal mit einer Anlage. Der Plattenteller dreht sich. Tubular Bells. Gegenüber das 90 cm Bett. Ein Jugendzimmer dieser Zeit. Er ist ein wenig zappelig, wie immer. Dann steht er vor mir, nimmt mein Gesicht sanft in seine Hände und sieht mich mit diesen unglaublich meeresfarbenen Augen an. Er lächelt und sagt "Madmäuselchen, du denkst zu viel". Seine Arme umschließen mich, sanft streicht er mir über den Rücken, legt seine Wange an mein Haar.
Wir lernten uns auf einer Freizeitfahrt, der Auszubildenen im 1. Lehrjahr unserer Firma kennen. Er fiel mir gleich auf. 185 cm groß, dunkle Haare, Fußballerbeine und diese sagenhaften Augen. Seine Art, eine Mischung aus Pausenclown und ernsthafter Nachdenklichkeit fazinierte mich. Auf einer Schnitzeljagd sprach er mich an! Ich konnte es kaum fassen. War ich doch ein kleines Moppelchen mit einer sehr unweiblichen Ausdrucksweise, widerspenstig, dickköpfig und nicht massenkompartibel mit all den hübschen Mädels. Vertieft in unsere Gespräche über Musik und unser Leben, blieben wir hinter der Gruppe zurück. Er strahlte mich an, als ich ihm von meiner Vorliebe für Mike Oldfield und Jean Michel Jarre berichtete. Keiner außer uns schien diese Musik zu lieben, ja überhaupt zu kennen. Beide kamen wir aus dem gleichen Vorort von Hamburg, beide verbrachten wir die Kindheit bei unseren Großmüttern. Die Eltern geschieden, später Schlüsselkinder. Meistens allein. Beide trugen wir diese unterschwellige Wut in uns. Wir träumten die gleichen Träume. Wir versprachen uns, sollte jemals einer von uns Kanada bereisen, würde er dem anderen eine Karte schreiben, egal wann und wo wir im Leben auch stehen mögen. Und er liebte Eisbären.
Abends küsste er mich das erste Mal. Ich spüre diesen Kuss noch immer. Weich, sanft, von einer Gefühlstiefe, wie ich sie nie wieder erleben durfte.
Und doch waren es nicht die äußeren Gemeinsamkeiten. Es war das wortlose Verstehen, die innere Verbindung, das Fühlen der Seele des Anderen. Das Eins sein und trotzdem Individuum bleiben. Nie wieder habe ich mich jemanden so verbunden gefühlt und war doch so frei dabei. Nie wieder habe ich so tief vertraut, nie wieder dieses Gefühl der Geborgenheit gefunden. Ich war angekommen aber zu früh.
Manchmal läuft er mich noch heute über den Weg. Meist dann, wenn ich auf dem falschen bin. Zufall? Das letzte Mal im Herbst vergangenen Jahres. Es sind kurze Begegnungen. Doch immer sagt mir das Lächeln seiner meeresfarbenen Augen "ich erinnere mich". Für Sekunden der Ewigkeit befinden wir uns wieder in der Geborgenheit des kleinen Zimmers und hören unsere Musik.
Er war 16, ich 18...zu jung, um zu begreifen! Doch heute verstehe ich und sehe meinen Weg.....
Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, im Auge eines Taifuns zu stehen. Alles um mich herum ist in Bewegung. Nur ich schaue zu, ruhig, abwartend, versuche, meinen Weg zu sehen. Doch offenbarte er sich mir nicht. Nach meiner letzten Beziehung wusste ich sehr genau, was ich nicht mehr wollte. Doch was ich will blieb mir verborgen. Bis heute.
Es fing wohl damit an, das Daniela auf ihrem Kranklager auf die Idee kam, Musik von Mike Oldfield sei ihrer Genesung durchaus zuträglich und ließ uns daran teilhaben. Es war, als würde in mir ein Schalter umgelegt. Difuse Gefühle, noch unerklärlich. Etwas in mir wollte wieder erwachen, raus an die Oberfläche, gesehen, wahrgenommen werden. Nur greifen konnte ich es nicht. Freitag schrieb ich dann dieses, anscheinend einfach aus dem Bauch raus. Wirklich nur ein Traum?
Sonntag, ich höre Mike Oldfield, wie auch schon die ganze vergangene Woche. Ich suche meine kleine Erinnerungskiste, eine alte Zigarrenschachtel. Keine Ahnung, warum. Eingestaubt finde ich sie unten, ganz hinten im Regal. Viel ist nicht drin, neige ich doch nicht zum Sammeln. Ein Bild meiner geliebten Großmutter, eines meines verstorbenen leiblichen Vaters. Darunter fällt mir ein kleiner Stein mit 2 aufgeklebten Marienkäfern ins Auge, "Viel Glück" steht darauf. Ein 23 Jahre alte Geburtstagskarte, unterschrieben mit "dein Eisbär" und 2 Namensschildchen.
Ich starre den einen Namen an, schließe die Augen. Sein Zimmer, klein. An der Stirnseite das Fenster, daneben der Schreibtisch mit Blick auf die Wand. Ein kleines Regal mit einer Anlage. Der Plattenteller dreht sich. Tubular Bells. Gegenüber das 90 cm Bett. Ein Jugendzimmer dieser Zeit. Er ist ein wenig zappelig, wie immer. Dann steht er vor mir, nimmt mein Gesicht sanft in seine Hände und sieht mich mit diesen unglaublich meeresfarbenen Augen an. Er lächelt und sagt "Madmäuselchen, du denkst zu viel". Seine Arme umschließen mich, sanft streicht er mir über den Rücken, legt seine Wange an mein Haar.
Wir lernten uns auf einer Freizeitfahrt, der Auszubildenen im 1. Lehrjahr unserer Firma kennen. Er fiel mir gleich auf. 185 cm groß, dunkle Haare, Fußballerbeine und diese sagenhaften Augen. Seine Art, eine Mischung aus Pausenclown und ernsthafter Nachdenklichkeit fazinierte mich. Auf einer Schnitzeljagd sprach er mich an! Ich konnte es kaum fassen. War ich doch ein kleines Moppelchen mit einer sehr unweiblichen Ausdrucksweise, widerspenstig, dickköpfig und nicht massenkompartibel mit all den hübschen Mädels. Vertieft in unsere Gespräche über Musik und unser Leben, blieben wir hinter der Gruppe zurück. Er strahlte mich an, als ich ihm von meiner Vorliebe für Mike Oldfield und Jean Michel Jarre berichtete. Keiner außer uns schien diese Musik zu lieben, ja überhaupt zu kennen. Beide kamen wir aus dem gleichen Vorort von Hamburg, beide verbrachten wir die Kindheit bei unseren Großmüttern. Die Eltern geschieden, später Schlüsselkinder. Meistens allein. Beide trugen wir diese unterschwellige Wut in uns. Wir träumten die gleichen Träume. Wir versprachen uns, sollte jemals einer von uns Kanada bereisen, würde er dem anderen eine Karte schreiben, egal wann und wo wir im Leben auch stehen mögen. Und er liebte Eisbären.
Abends küsste er mich das erste Mal. Ich spüre diesen Kuss noch immer. Weich, sanft, von einer Gefühlstiefe, wie ich sie nie wieder erleben durfte.
Und doch waren es nicht die äußeren Gemeinsamkeiten. Es war das wortlose Verstehen, die innere Verbindung, das Fühlen der Seele des Anderen. Das Eins sein und trotzdem Individuum bleiben. Nie wieder habe ich mich jemanden so verbunden gefühlt und war doch so frei dabei. Nie wieder habe ich so tief vertraut, nie wieder dieses Gefühl der Geborgenheit gefunden. Ich war angekommen aber zu früh.
Manchmal läuft er mich noch heute über den Weg. Meist dann, wenn ich auf dem falschen bin. Zufall? Das letzte Mal im Herbst vergangenen Jahres. Es sind kurze Begegnungen. Doch immer sagt mir das Lächeln seiner meeresfarbenen Augen "ich erinnere mich". Für Sekunden der Ewigkeit befinden wir uns wieder in der Geborgenheit des kleinen Zimmers und hören unsere Musik.
Er war 16, ich 18...zu jung, um zu begreifen! Doch heute verstehe ich und sehe meinen Weg.....
Ansuzz - 5. Aug, 14:59